Dr. forest Christoph Hoffmann

Weltklimakonferenz COP 27 in Sharm el-Sheik – verzetteln wir uns?

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Meine Perspektive auf die Klimaverhandlungen in Sharm el-Sheik

Eine Milliarde US-Dollar für eine sozial gerechte Energiewende in Südafrika (Just-Energy-Transition-Partnership - JETP), 550 Millionen Euro für den Aufbau der Wasserstoff-Wirtschaft im Ausland (PtX Development Fund und PtX-Wachstumsfonds) und 170 Millionen Euro für einen globalen Schutzschirm gegen Klimarisiken (Global Shield against Climate Risks). Die Bundesregierung nimmt aktuell auf der Weltklimakonferenz in Sharm el-Sheik eine Vorreiterrolle bei neuen Finanzierungszusagen für den Klimaschutz ein.

Das ist gut und notwendig, denn wir müssen im Verbund mit unseren Partnern massiv investieren, um die globalen Folgen des Klimawandels in den Griff zu bekommen. Deutschland trägt als hoch industrialisiertes Land Verantwortung, Entwicklungsländern mit weniger Emissionen und extremeren Klimakatastrophen unter die Arme zu greifen. Deutschland muss auch in den letzten Tagen der Verhandlungen in Sharm el-Sheik eine treibende Kraft sein, um eine Einigung für ambitionierte Klimaziele zu erreichen.

Denn die Realität ist: Wir kommen nicht richtig voran. So wie es momentan aussieht, ist das Pariser 1,5-Grad-Ziel verloren. Allein in China werden momentan Kohlekraftwerke mit einer Leistung von 88 Gigawatt gebaut - 159 Gigawatt sind geplant. Das ist rund achtmal so viel Leistung, wie in Deutschland seit 2011 vom Netz gegangen ist: 11,2 Gigawatt. Auch in Indien entstehen an 28 Standorten neue Meiler.

Hinzu kommt das fatale Signal von Robert Habeck: Nach dem Wegfall des russischen Gases setzt der  Wirtschafts- und Klimaminister wieder auf Kohle. Für mich als Förster ist es unfassbar, dass in dieser Situation wieder auf den Klimakiller Kohle zurückgegriffen wird. Klimaneutrale Energieträger wie Kernkraftwerke zur Überbrückung zu nutzen, bis wir Strom und Energie voll aus den Erneuerbaren beziehen können, wäre aus meiner Sicht die vernünftigere Entscheidung.

Dieser Schritt bestärkt in den Ländern des globalen Südens den Eindruck, Deutschland und Europa handelten nach doppelten Standards. Die Entwicklungsländer halten wir an, allein auf den Ausbau der Erneuerbaren zu setzen und ihre Kohleressourcen im Boden zu lassen, während wir selbst in Deutschland den Kohleabbau weiterlaufen lassen. So gewinnen wir keine Freunde für unsere Klimaziele. Das läuft unserer Geostrategie diametral entgegen.

Wenn unsere zugesagten Gelder Wirkung entfalten sollen, dürfen wir uns nicht verzetteln. Es gilt jetzt, klare Prioritäten zu setzen. Die wichtigste Maßnahme muss an der Wurzel, der Ursache des Problems greifen: eine konsequente Vermeidung der Kohleverstromung – in Deutschland wie überall auf der Welt. Wir sollten in Klimapartnerschaften mit Entwicklungsländern die geplanten Kohlekraftwerke mit Zuschüssen eins zu eins in regenerative Kraftwerke für Photovoltaik, Wind und Wasser umwandeln.

Zweite Priorität ist die Ausweitung der CO2-Speicherkapazitäten. Wälder schützen, restaurieren und nachhaltig bewirtschaften hat eine maximale CO2-Senkenwirkung. Dieses Potential müssen wir in Waldpartnerschaften mit Entwicklungsländern dringend ausschöpfen. In dieser Hinsicht sehen wir trotz internationaler Zusagen noch viel zu wenig Fortschritt. Das gilt insbesondere für Länder mit tropischen Wäldern, in denen die CO2-Speicherkapazitäten noch höher sind.

Ein gutes Beispiel ist Indonesien, wo ich jüngst im Rahmen einer Delegationsreise des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern aus Parlament, Zivilgesellschaft und Unternehmen geführt habe. Indonesien ist einer der weltweit größten Kohle-Exporteure und wirtschaftlich extrem abhängig von dem fossilen Energieträger. Dementsprechend gering ist die Bereitschaft, auf dieses zentrale Standbein zu verzichten. Daher wird die von Deutschland gemeinsam mit den USA, Japan, Kanada und fünf weiteren europäischen Ländern mit 20 Milliarden Dollar geförderte Just-Energy-Transition-Partnership (JETP) in Indonesien nicht zu kurzfristigen Erfolgen führen.

Etwa 60 Prozent des CO2-Ausstoßes stammen in Indonesien aus der Land- und Forstwirtschaft. Hier liegt ein großer Hebel: mit einer Waldpartnerschaft kann in dem Land, das den drittgrößten Tropenwald der Welt beherbergt, mehr und schneller etwas für den Klimaschutz erreicht werden. Die indonesische Regierung und Kommunen sind offen, Millionen Hektar hochproduktiver Waldflächen zu restaurieren. Widerbewaldung und nachhaltige Forstwirtschaft sind nicht nur gut für das regionale und globale Klima, sondern bietet auch Kleinbauern und anderen Menschen vor Ort Beschäftigungsmöglichkeiten jenseits des Kohleabbaus. Die Nutzung von Holz als Baustoff als Ersatz für Beton und Stahl kann innerhalb der Partnerschaft insbesondere für den Bau der neuen Hauptstadt Nusantara vorangetrieben werden.

Das ist effizienter, zielgerichteter Klimaschutz. In diesem Sinne freue ich mich, dass Bundeskanzler Olaf Scholz in Sharm el-Sheik eine weitere Milliarde Euro für den globalen Waldschutz zugesagt hat. Diese Gelder dürfen aber nicht in den bürokratischen Kanälen internationaler Programme wie REDD+ versickern, sondern müssen direkt an die Kleinbauern und Waldbesitzer in entsprechenden Aufforstungsprojekten wie in Indonesien fließen.

Wenn wir uns gemeinsam mit unseren Partnerländern der Entwicklungszusammenarbeit konsequent auf die Prioritäten Stopp der Kohleverstromung, Auf- und Ausbau Erneuerbarer Energien und Stärkung der CO2-Senkenleistung von Wäldern durch Aufforstung und nachhaltige Forstwirtschaft konzentrieren, kann das 1,5-Grad-Ziel wieder greifbar werden.